Bewegende Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Deportation der Siebenbürger Sachsen

Am 19. Januar 2025 fand in der Kapelle des Hauses Siebenbürgen in Drabenderhöhe eine bewegende Gedenkfeier zur Erinnerung an die Deportation von 30.000 Frauen und Männern aus Siebenbürgen in die Sowjetunion vor 80 Jahren statt. Im Januar 1945 waren sie unter unmenschlichen Bedingungen zur Zwangsarbeit verschleppt worden. Viele kehrten nie wieder zurück, und diejenigen, die überlebten, trugen oft lebenslange körperliche und seelische Narben.

Die Feier begann mit dem Läuten der Heimatglocke vom Turm der Erinnerung. Im Namen der Kreisgruppe Drabenderhöhe, des Adele Zay Vereins und des Hauses Siebenbürgen, Wohn- und Pflegeheim begrüßte die stellvertretende Vorsitzende der Kreisgruppe Drabenderhöhe, Brigitte Thomke, die Anwesenden herzlich zu der Veranstaltung, unter ihnen Bürgermeister der Stadt Wiehl, Ulrich Stücker, Landrat i. R. Hagen Jobi, Pfarrerin Agnes Franchy- Kruppa, Enni und Harry Janesch, Ehrenvorsitzende der Kreisgruppe Drabenderhöhe und der Landesgruppe NRW des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Ulrike Horwath, Vorsitzende des Adele Zay Vereins, Markus van Breen, Geschäftsführer der Haus Siebenbürgen gGmbH und die zwei in Drabenderhöhe noch lebenden Zeitzeugen Maria Bock und Martin Klatt.

Sie berichtete von den dramatischen Szenen in den Januartagen von 1945 und sagte, „Fast jedes Haus war in Siebenbürgen von dieser Aktion betroffen. Auch meine Eltern blieben nicht verschont. Für unsere Kinder und Enkelkinder beten wir, sie mögen vor so einem Schicksalsschlag bewahrt bleiben, um weiterhin in Frieden leben zu können.“

Brigitte Thomke führte als Moderatorin anschließend einfühlsam durch das Programm.

Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Deportation der Siebenbürger Sachsen in der Kapelle des Hauses Siebenbürgen. Von links: Brigitte Thomke, stellvertretende Vorsitzende des Adele-Zay-Hilfsvereins; Enni Janesch, Ehrenvorsitzende der Kreisgruppe; Marcus van Breen, Heimleiter des Hauses Siebenbürgen; Zeitzeugin Maria Bock; Bürgermeister Ulrich Stücker; Zeitzeuge Martin Klatt; Pfarrerin Agnes Kruppa-Franchy; Regine Melzer, Leiterin des Honterus-Chores und Helmut Scharpel, stellvertretender Vorsitzender der Kreisgruppe Drabenderhöhe des Verbandes der Siebenbürger Sachsen. Fotos: Christian Melzer

In seinem Grußwort betonte der Bürgermeister Ulrich Stücker wie stark ihn das Schicksal der Siebenbürger Sachsen berühre, da auch sein Vater fünf Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen war. Er dankte den Siebenbürger Sachsen in Drabenderhöhe, dass sie ihre Traditionen weiter pflegten und in Gedenkfeiern an ihre Geschichte erinnerten.

Pfarrerin Agnes Franchy hielt eine ergreifende Andacht, die die Last und den Schmerz der Vergangenheit ins Zentrum stellte, zugleich aber auch Hoffnung und Versöhnung anmahnte. Sie führte an: „Auch heute sind Klage und Schmerz die damals ausgelöst wurden noch da. Die Frage „Wie kann Gott das zulassen?“ oder „Gott, wo bist du?“ trägt in sich den Schmerz. Andererseits ist auch viel Dank da! Gott sei Dank wir haben es überlebt! Wir sind wieder zusammen.“ Mit dem Psalm 102 spendete sie Trost und Zuversicht. Während einer Schweigeminute läutete die Heimatglocke zum Gedenken an die Verschleppung der Betroffenen und ihrer Familien und auch zum „Vaterunser“.

Im Anschluss hielt Enni Janesch, die selbst zu den Betroffenen gehörte, eine eindringliche Ansprache. Ihr Vater blieb nach dem Krieg in Österreich, die Mutter wurde an ihrem vierten Geburtstag in die Sowjetunion deportiert. Sie kam mit einem Krankentransport nach Frankfurt/Oder und machte sich auf abenteuerlichen Wegen auf, um zu ihrem Mann zu gelangen. Die Familie übersiedelte 1953 im Rahmen der „Kohleaktion“ ins Ruhrgebiet. Enni Janesch wuchs bei den Großeltern auf. Ihre Eltern und ihre in Linz/Donau geborene Schwester traf sie erst mit 17 Jahren in Oberhausen.

Sie schilderte eindrucksvoll die dramatischen Ereignisse und Schrecken der Deportation und würdigte die Stärke und den Überlebenswillen der Verschleppten. Ihre Worte fanden tiefe Resonanz bei den Anwesenden.

In ihrer Ansprache nahm sie Bezug auf Drabenderhöhe: „Hier am Ort erinnern an dieses dunkelste Kapitel in der Geschichte des Siebenbürger Sachsen:

  • das Läuten der Heimatglocke jedes Jahr am 13. Januar, um 17.00 Uhr,
  • eine Gedenktafel am Turm der Erinnerung mit einer Kohlezeichnung von Friedrich von Bömches
  • der Kreisel am Siebenbürgerplatz, der gleichzeitig an die Evakuierung von etwa 40 000 Nordsiebenbürger Sachsen im Herbst 1944 erinnert,
  • zwei Bilder des Malers Friedrich von Bömches im Schaukasten auf der hinteren Bühne des Stadtteilhauses. Der aus Kronstadt stammende Künstler gehörte auch zu den Deportierten. In Wiehl verbrachte er in späteren Jahren mit seiner Familie seinen Lebensabend. In seinen düsteren Bildern verarbeitete er die traumatischen Erlebnisse der Russlandjahre,
  • das Buch „Schatten am Don“ von Frau Liane Weniger, der langjährigen Leiterin des Siebenbürgisch-Deutschen Heimatwerkes, die bestimmt noch vielen bekannt ist. Sie hatte über ihre traumatischen Erlebnisse bei der Aushebung und in den Lagern geschrieben und es 1994 herausgegeben.

Zum Schluss ging sie auf die Entschädigungen zur Wiedergutmachung durch den rumänischen Staat ein: „Wir, die damaligen Kinder, heute Seniorinnen und Senioren, von denen auch noch viele hier in Drabenderhöhe leben, freuen uns über die unerwartete Unterstützung vom rumänischen Staat. Es ist das kostbarste Geschenk unserer Mütter und Väter, die uns unverschuldet verlassen mussten. Sie haben es mit dem Schönsten bezahlt, was sie je besessen haben: mit Jahren ihres jungen Lebens, die ihnen im Januar 1945 gestohlen wurden, manche haben es sogar mit dem Tod bezahlt. Heute gedenken wir ihrer und erinnern uns mit Dankbarkeit an sie, denn „Erinnerung ist die Dankbarkeit des Herzens.“

Auch der Heimleiter des Hauses Siebenbürgen, Marcus van Breen, fand bewegende Worte. Er hob hervor, wie sehr ihm die Begegnungen mit Zeitzeugen ans Herz gewachsen seien, und freute sich, dass das Haus Siebenbürgen vielen ehemaligen Deportierten einen würdevollen Lebensabend ermöglichen konnte. „Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Schrecken von damals nicht in Vergessenheit geraten. Gedenken bedeutet, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen. Indem wir uns der Vergangenheit erinnern, gestalten wir eine Welt, in der solche Ungerechtigkeiten keinen Platz mehr haben. Wir haben die Verantwortung, für Frieden und Freundschaft einzutreten, damit so etwas nie wieder geschieht!“ ermahnte er.

Der Honterus-Chor Drabenderhöhe mit „Dona Nobis Pacem“, einem traditionellen Kanon in lateinischer Sprache. Der Text besteht ausschließlich aus den Worten „Dona nobis pacem“, was auf Deutsch „Gib uns Frieden“ bedeutet. Video: Günther Melzer

Musikalisch umrahmte der Honterus-Chor unter der Leitung von Regine Melzer die Veranstaltung mit bewegenden Liedern, die sowohl Trauer als auch Hoffnung zum Ausdruck brachten: „Herr Deine Güte reicht soweit“, den Kanon „Dona nobis pacem“ und in siebenbürgisch-sächsischer Mundart „Santichsklok“.

Die Veranstaltung endete mit dem gemeinsam gesungenen Choral „Großer Gott, wir loben dich“, begleitet von Regine Melzer am Klavier.

Anschließend traf man sich im Pavillon beim gemütlichen Beisammensein mit Kaffee, Baumstriezel und Hanklich. Die Gäste nutzten die Gelegenheit, Erinnerungen auszutauschen, Gespräche zu führen und gemeinsam der Opfer der Deportation zu gedenken.

Diese Gedenkfeier war ein eindrucksvolles Zeichen dafür, dass das Schicksal der Siebenbürger Sachsen nicht vergessen wird. Sie verdeutlichte, wie wichtig es ist, das Andenken an die Opfer zu bewahren und die Lehren der Geschichte weiterzugeben.

Enni Janesch / Günther Melzer

Die nachfolgende Bilderserie wird Ihnen präsentiert von:

  

Zum Vergrößern der Fotos bitte Vorschaubilder anklicken.

Fotos: Christian Melzer

Beitrag teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert