Drabenderhöher erhielten Heimatpreis aus der Hand von Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen.
Letztendlich sei es nicht schade, dass die Preisverleihung des Heimatpreises 2020 für die Siebenbürger Sachsen wegen der Pandemie erst in diesem Jahr stattfinde, weil 2022 ein Jubiläumsjahr sei: Vor 65 Jahren übernahm das Land NRW die Patenschaft über die Siebenbürger und aus der „Patenschaft sei eine Partnerschaft geworden“, so Ministerin Ina Scharrenbach, die im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW die Preisträger begrüßte und betonte, dass das partnerschaftliche Verhältnis sich weiter entwickelt und vertieft habe.
Bürgermeister Ulrich Stücker begleitete die Drabenderhöher Delegation, die nach Düsseldorf fuhr, um den Ehren-Hauptpreis in Empfang zu nehmen. Zu ihnen gehörten Enni und Harry Janesch, Ulrike Howath, Anita Gutt, Marcus van Breen und Gerda Gusbeth als Vertreter des Hilfsvereins Adele Zay, der landsmannschaftlichen Kreisgruppe sowie des Wohn- und Pflegeheims Haus Siebenbürgen Drabenderhöhe.
Mit dem Preis würdige die Landesregierung den hohen Einsatz der Siebenbürger Sachsen in Vergangenheit und Gegenwart für den Austausch in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Literatur zwischen NRW und der Region Siebenbürgen im heutigen Rumänien. Als engagierte Heimatgestalterinnen und Heimatgestalter leisteten die Siebenbürger einen besonders wertvollen Beitrag für die Völkerverständigung und das Zusammenleben in NRW“, so Ina Scharrenbach.
Aktuell wies sie auf die Förderung in Höhe von vier Millionen Euro für Sanierung und Erweiterung des Kulturhauses (Stadtteilhaus) in Drabenderhöhe hin, das aus dem Investitionspaket soziale Integration im Quartier besteht.
„Niemand darf seine Wurzeln vergessen. Sie sind Ursprung unseres Lebens.“ Mit diesem Zitat des italienischen Filmregisseurs Federica Fellini bedankte sich Rainer Lehni, Bundes- und Landesvorsitzender NRW des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V., für die Einrichtung des Heimatpreises und die damit verbundene Würdigung der Siebenbürger Sachsen beim Ministerium und ganz besonders bei Ina Scharrenbach: Das Zitat sei eine treffende Aussage zum Begriff Heimat. Die als Geschichts- und Traditionsbewusst bekannten Siebenbürger lebten seit ihrer Aussiedlung mehrheitlich nicht mehr in der alten Heimat, aber „wir haben eine neue Heimat hinzu gewonnen“, so Lehni.
Hier an Rhein und Ruhr und in vielen Landesteilen des Bundeslandes seien Siebenbürger Sachsen heimisch geworden und „wir sprechen von einer gelungenen Integration“. Noch korrekter wäre es, von einer gelungenen Beheimatung zu sprechen. „Die Heimat Siebenbürgen tragen wir weiter in unseren Herzen, besuchen sie oft und gerne, haben heute aber zwei Heimaten, eine alte und eine neue und beide ergänzen sich auf hervorragende und vielfältige Weise. Auch Lehni betonte, dass aus der vom Land NRW 1957 übernommenen Patenschaft sich im Laufe der 65 Jahre eine richtige Partnerschaft entwickelt habe, für die man dem Patenland sehr dankbar sei.
Der Oberbergische Kreis mit rund 2500 Siebenbürgern in Drabenderhöhe sei unbestrittener Siedlungsschwerpunkt, aber auch von Aachen bis Bielefeld und von Bonn bis an den Niederrhein seien viele von ihnen heimisch. Lehni: „Wir haben unseren Beitrag zum Aufbau dieses Landes geleistet und haben uns aktiv vor Ort in der neuen Heimat eingebracht. Dieses wollen und werden wir auch künftig tun. Der Heimatpreis soll uns allen zugleich Ansporn sein.“
Erster Preis für den Turm der Erinnerung
Für Verbands-Kulturreferentin Heike Mai-Lehni war es eine „ausgezeichnete Wahl“ , dass der 2004 eingeweihte „Turm der Erinnerung“ mit dem Heimatpreis dotiert wurde. Er sei heute Wahrzeichen der Drabenderhöher und erinnere durch sein Aussehen an die Wehrtürme der siebenbürgischen Kirchenburgen.
Der imposante 24 Meter hohe Bau des Turms steht im Eingangsbereich des Alten- und Pflegeheims Haus Siebenbürgen, das wie eine Art Kirchenburg um den Innenhof angelegt ist.
Verantwortlich für den Bau des Turms nach Plänen des Architekten Georg Tinnes waren seinerzeit Pfarrer Kurt Franchy (†) für den Adele-Zay-Hilfsverein, Harald und Enni Janesch (Verband der Siebenbürger Sachsen) und Pfarrer Hans Klein (Altenheim). Unterstützt wurden die Erbauer mit Spenden der Nachbarschaften und Kreisgruppen NRW, zahlreichen Heimatortsgemeinschaften und vielen Privatpersonen.
Die Einbindung in das örtliche Gemeinschaftsleben sei den Erbauern gelungen. Rund um den Turm finden traditionelle und kulturelle Brauchtumsveranstaltungen statt: Osterbräuche, Kronenfest, „Puer natus“ in der Adventszeit, der Weihnachtsmarkt sowie Gedenk- und Jubiläumsfeiern.
In den verschiedenen Geschossen des Turms sind neben mehreren Modellen von Kirchenburgen und Bauernhöfen rund 70 Baso-Keramik-Reliefs verschiedener Kirchenburgen des siebenbürgisch-jüdischen Künstlers David Serbu zu sehen. Oben im Turm hängt eine Glocke aus dem siebenbürgischen Dörfchen Mardisch. Abschließend dankte Mai-Lehni den Erbauern für diese Erinnerungsstätte, die zu einem selbstverständlichen Teil von Drabenderhöhe geworden sei.
Zweiter Ehrenpreis für den Schiller-Verlag
Jens Kielhorn, der mit dem inzwischen verstorbenen Anselm Roth den Schiller Verlag in Hermannstadt gründete und mit seinem Verlagsprogramm eine literarisch-kulturelle Brücke zwischen Deutschland und Rumänien schlage, erhielt aus der Hand der Ministerin den zweiten Ehren-Hauptpreis.
Die Laudatio hielt Enni Janesch aus Drabenderhöhe, die jedes Mal wenn sie in Hermannstadt ist mit ihrem Ehemann Harry das „Bücher-Cafe Erasmus“ im Begegnungs- und Kulturzentrum Friedrich Teutsch besucht. „Hier kann man stöbern, schmökern, sich mit guter Literatur eindecken und vielleicht unverhofft Freunde treffen.“
Die Erasmus-Buchhandlung wurde 2006 von dem Bonner Ehepaar Kielhorn eröffnet und sei seitdem für viele Besucher Anlaufstelle und Begegnungsort. Die Idee dazu stammt von seiner aus Nordsiebenbürgen stammenden Ehefrau Liana. 2007 übernahmen Kielhorn auch die Schiller-Buchhandlung am großen Ring, später kam noch eine Filiale in Temeschburg dazu.
Zum breit gefächerten und anspruchsvollen Verlagsprogramm gehören unter anderem eine zehnbändige Geschichte der Siebenbürger Sachsen, „Musik in Siebenbürgen“, Dokumentationen, Ortsmonographien, Wander- und Reiseführer, Bildbände, theologische und philosophische Werke, Schulbücher, Belletristik siebenbürgischer Autorinnen und Autoren sowie das „Jahrbuch“ der Gemeinschaft der evangelischen Siebenbürger Sachsen und Bannater Schwaben. Janesch wünschte Kielhorn für sein großartiges verlegerisches Schaffen auch weiterhin viel Erfolg und Kraft: „Bleiben Sie auch in Zukunft ein Brückenbauer in unserem gemeinsamen Haus Europa.“
Hermann Binder ist bis heute Orgelbauer
Dr. Ruth Fabritius (Leiterin des Glasmuseums Rheinbach) würdigte in ihrer Laudatio die Arbeit des Orgelbauers Hermann Binder aus Hermannstadt. Die Jury dotierte seinen Einsatz zur Bewahrung des kulturellen Erbes Siebenbürgens mit dem Sonderpreis. Unter schwierigen Bedingungen – noch in der Zeit des Kommunismus – betrieb Binder jahrzehntelang die einzige Orgelwerkstatt im sächsischen Siebenbürgen.
Der 1945 in Schäßburg geborene Orgelbauer und Orgelforscher ist weiter über die Grenzen Siebenbürgens bekannt, zudem auch in der Nachwuchsarbeit sehr aktiv und erfolgreich, so dass gute Organisten ihren musikalischen Dienst tun können. Binder sei es auch zu verdanken, dass die Kirchenburgenlandschaft als heimatliches Kulturgut deckungsgleich geblieben sei mit der Orgellandschaft. Der Orgelbauer, der heute noch in Hermannstadt tätig ist, sieht die Orgel als König der Instrumente.
Die beiden Hauptpreisträger erhalten je 4500 Euro, der Sonderpreis wurde mit 3500 Euro dotiert.
Die musikalische Umrahmung der Feierstunde gestaltete Christa Becker, geborene Kräutner, auf ihrer Flöte. Die frühere Drabenderhöherin wohnt heute in Köln.
Ursula Schenker